Unser Petershagener B. Paetzold in Glasgow

Als Ortsverbandssprecher konnte Rüdiger Haas ein Interview mit Burkhard Paetzold, aus Petershagen Eggersdorf und Kreistagsmitglied für Bündnis 90/Die Grünen, führen. Im November 2021 war er auf der 26. Klimakonferenz in Glasgow (COP26) unterwegs.

Rüdiger Haas: Wie hast Du die Konferenz vor Ort erlebt?

Burkhard Paetzold: Zunächst habe ich ganz persönlich die Konferenz als ein außerordentliches Gemeinschaftserlebnis empfunden. Das Gefühl dass sehr viele Menschen das Momentum nutzen wollen, um wichtige Veränderungen für mehr Klimagerechtigkeit herbeizuführen.

Das gilt insbesondere für meine Teilnahme an der großen Demonstration, aber auch für viele Diskussionsveranstaltungen, Ideenbörsen, Mahnwachen und Protestaktionen. – Immerhin war es mit 40.000 Teilnehmenden die größte globale Konferenz überhaupt. Bei der großen Anzahl Teilnehmender war in diesem Jahr alles natürlich noch einmal überlagert von sehr strengen Hygienemaßnahmen.

Es gibt eine große Komplexität und Vielfalt. Viele Dinge laufen parallel und man hat Mühe seine eigenen Fokus finden.

Eigentlich gibt es fast alle Podien, Plenarsitzungen und Veranstaltungen auch online und das ist auch gut so. Dadurch erweitert sich der Kreis der Beteiligten noch einmal zusätzlich. Aber das unmittelbare gegenüber von Mächtigen und Ohnmächtigen von Politikprominenz, Verhandelnden, die den Protesten und den unmittelbaren Nachfragen von Fachleuten und Ideengebern ausgesetzt sind, hat seine eigene Produktivität. (auch wenn es durch Visaeinschränkungen und Corona Maßnahmen gerade für Leute aus dem Süden diesmal schwerer gemacht wurde teilzunehmen, was zu Recht kritisiert wurde.)

Dennoch hat die Präsenz der am stärksten vom Klimawandel Betroffenen meinen Blick noch einmal besonders dafür geschärft, dass wir hier bei uns ja landläufig von Klimaschutz sprechen, als ginge es nur darum uns selber zu schützen, das große Thema aber globale Klimagerechtigkeit heißen muss.

Politisch waren die Erwartungen bekanntermaßen sehr hoch und können eigentlich nie vollständig erfüllt werden, da es immer nur um Konsens geht, also um den kleinsten gemeinsamen Nenner. Es ist also sehr leicht, das alles als Blabla zu kritisieren. Aber wo wären wir ohne diese Konferenzen?

Die Klimakonferenzen machen Druck, entfalten bereits im Vorfeld eine Dynamik, interessanterweise gerade dadurch, dass sie insbesondere mit dem Mittel freiwilliger Selbstverpflichtungen arbeiten, wodurch quasi eine Wettbewerbssituation entsteht.

Die bekannten Maßstäbe sind „Begrenzung auf 1.5 Grad“ und „mindestens100 Mrd Dollar jährliche Mittelzusagen“ (sowohl für Abschwächung des Klimawandels als auch für Anpassung an den Klimawandel). Beide Ziele wurden bekanntermaßen noch nicht erreicht.

Eine relativ neue Forderung, die wir stark mit unterstützt haben, ist der finanzielle Ausgleich für bereits entstandene Schäden und Verluste. (Leider konnte man sich hier nur auf technische Hilfen und auf weiteren Dialog einigen, gebraucht wird aber ein eigener Finanzrahmen über die 100 Mrd hinaus.)

Bei alledem werden Regeln im Detail verhandelt, es geht um Verifizierung von Maßnahmen, das Schließen von Schlupflöchern und um Transparenz.

Und gleichzeitig sind die Klimakonferenzen auch so etwas wie eine Ideenbörse, eine Klimatechnologiemesse und eine Art Divestmentwettbewerb. Es werden bilaterale Verabredungen getroffen, Allianzen geschmiedet (z.B. zu Waldrodungsbegrenzung, Kohleausstieg, oder Methanausstoßbegrenzung), und es geht immer wieder um Vertrauensbildung, gerade nachdem durch Trump soviel Porzellan zerschlagen worden ist.

Rüdiger Haas: Wie kamst du dazu daran teilzunehmen?

Burkhard Paetzold: Ich war zur COP 26 in Glasgow als Observer für „Presbyterians for Earth Care“ innerhalb einer ökumenischen Gruppe der Kirchen akkreditiert. (In dieser Funktion hatte ich bereits 2018 die Möglichkeit an der COP 24 in Katowice teilzunehmen.) Das kommt daher, dass ich über zwanzig Jahre für die Presbyterianische Kirche den USA als Mittel- und Westeuropavertreter gearbeitet habe. Die Koordinierung unserer Gruppe hatte ACT Alliance (www.actalliance.org). Mit dabei waren Vertreter*innen des Ökumenischen Rates der Kirchen und des lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche.

Ich bin überzeugt, ohne den Austausch und besonders auch die Nord Süd Vielfalt innerhalb dieser Gruppe und ohne die Moderation durch Fachleute wäre es sehr schwer sich in der erwähnten Komplexität zurechtzufinden Die Verabredung in der Gruppe bot die Möglichkeit arbeitsteilig an verschiedenen Veranstaltungen teilzunehmen bzw. Informationen direkt aus manchen Verhandlungsdelegationen zu erhalten und uns dann ausführlich über unser Vorgehen abzustimmen. Abgestimmt haben wir uns auch über externe Veranstaltungen, Demonstrationen, Mahnwachen, Protestaktionen an denen ich auch aktiv beteiligt war usw.

Dabei haben wir uns eng mit anderen NRO vernetzt und auch mit Vertreter*innen anderer Religionen eng zusammengearbeitet.

Rüdiger Haas: Welche Rolle spielen die Nichtregierungsorganisationen?

Burkhard Paetzold: Es war gut zu sehen, wie die NRO sachkundig und mit Medienpräsenz versuchen Einfluss zu nehmen.

Interessant fand ich eine Diskussionsrunde zwischen zwei Klimaktivist*innen aus dem globalen Norden und einer Menschenrechts- und Klimaaktivistin aus dem globalen Süden sowie einer jungen Frau von Fridays for Future, die alle vom Präsidenten der COP26 Alok Sharma in den Plenarsaal eingeladen worden waren.

Die Vertreter*innen der Klimaorganisationen aus dem Globalen Norden sagen im Grunde: es gibt gerade so etwas wie ein Momentum, das wir nutzen sollten: Es gibt ein exponentielles Wachstum beim Divestment von fossilen Brennstoffen und beim Investment in „grüne“ Technologien und dazu staatliche Jahresziele für das erreichen von Klimaneutralität. Unternehmen können jetzt eine Perspektive sehen und beginnen, ihre Betriebsweisen und Ihre Produkte zielgerichtet umzubauen. Lasst uns also hart daran arbeiten, dies abzuhaken und die Treibhausgasemissionen damit so schnell wie möglich zu reduzieren, um beim 1,5-Grad-Ziel zu bleiben. Dann werden wir auch in der Lage sein sozioökonomische Veränderungen vorzunehmen und mehr globale Gerechtigkeit zu schaffen.

Die Klimarechtsaktivistin aus dem Globalen Süden und die junge Frau von FFF sagten: Wenn wir uns nur auf den Technologiewandel konzentrieren, aber an den gleichen alten sozioökonomischen Mustern festhalten, die zur Krise geführt haben, werden wir nichts erreichen und die Welt nur noch weiter spalten. Wir brauchen keine weiteren Unternehmenslösungen. Wir fürchten uns vor einem neuen „Ökokolonialismus“. – Covid19 hat gezeigt, wer am meisten gelitten hat. Dies sind die gleichen Gemeinschaften, die unter dem Klimawandel leiden. (Nicht in 40 Jahren – sondern jetzt!) Wir haben eine ständig wachsende – eine Hyperungleichheit. Wir müssen also kontextbezogen zusammenarbeiten und das massive Leiden angehen. Was wir am meisten brauchen, ist zunächst einmal Solidarität.

Rüdiger Haas: Was nimmst du dir mit für den Kreis und unserem Doppeldorf. Also wo müssen auch wir was machen? Oder sind wir als Kreis und Doppeldorf schon super unterwegs?

Burkhard Paetzold: Ich bin überzeugt, dass das Thema Klimagerechtigkeit nicht eines unter vielen sondern Schwerpunkt und Querschnittsaufgabe sein muss und da gibt in unserem Kreis und in den Kommunen noch sehr viel zu tun.

Das Thema verlangt zwar auch viel technische Maßnahmen, aber es geht vor allem auch um ein kreatives Umdenken. Unser verschwenderisches System so aufrechtzuerhalten und weiterhin gedankenlos das gleiche zu tun wie bisher, nur mir anderen technischen Mitteln wird nicht gelingen.

Stichworte bei uns sind: eine andere Mobilität, eine andere Ernährung und Landwirtschaft, drastischen Einsparungen beim Energie- und Ressourcenverbrauch, Kreislaufwirtschaft, verminderter Landschaftsverbrauch, und Baumschutz, um nur einige Themenfelder zu nennen.

Alle kommunalen Bereiche müssen systematisch von überholten Denk- und Handlungsmustern entrümpelt werde.

Und Klimagerechtigkeit heißt auch faire Beschaffung, sowie Dialog und Partnerschaften mit Kommunen und Gemeinschaften im globalen Süden.

Danke Burkhard für deine Mühe und auch Danke, dass du mit uns deine Erfahrung teilst. Liebe Bürgerinnen und Bürger: Haben sie Fragen, schreiben sie uns an. RH